16. März 2023

Ab in den Knast - Lost Place Gefängnis Palma de Mallorca


Heute stehen die Tore am alten Gefängnis in Palma de Mallorca offen. Und das schon seit vielen Jahren. Mittlerweile ist es ein klassischer Lost Place - allerdings mit einer Besonderheit: Es gibt neue Bewohner!


Im Stadtsteil Cas Capiscol im Norden von Palma de Mallorca befindet sich der alte Knast der Insel - ganz in der Nähe des neuen Gefängnisses. Es ist schon von der Gegend her dort nicht so gemütlich, aber hat den Vorteil, dass man tatsächlich direkt am Spot einen Parkplatz bekommt. Man darf nur nicht so viel nach rechts und links schauen und ignoriert am besten, dass da auch schon halb ausgeschlachtete Autos rumstehen.

Das alte Gefängnis ist umgeben von hohen Mauern mit Stacheldraht obendrauf. Dass es nicht mehr in Betrieb ist, erkennt man zuerst wohl dran, dass die Außenmauern farbenfroh voller Graffiti sind und gar nicht den Eindruck erwecken, als würden hier noch Leute weggesperrt. Ein weiteres Indiz für die Aufgabe des Ortes ist, dass ein großes Metallschiebetor einen Spalt weit offen steht. Es existiert keine Absperrung und auch kein Betretungsverbotsschild. Also nichts wie rein!


Kurz vor uns betrat ein älterer Herr mit einer größeren Kamera bewaffnet das Objekt. Der wollte sich den Spot sicherlich auch anschauen und war auf der Suche nach tollen Fotomotiven. Ich ließ ihm etwas Vorsprung und folgte dann ebenfalls durch das offene Gefängnistor. Der Herr war da schon um die Ecke und außer Sichtweite. Ich hab mich erstmal orientiert und gestaunt - denn drinnen waren noch mehr Graffiti - durchaus von künstlerischem Wert.





Als ich dann auch an der Ecke angekommen war, um die der Herr zuvor verschwand, kam dieser eiligen Schrittes schon zurück. Er sagte im Vorbeigehen nur die Worte "be careful!". Und da war mir klar, dass die anderen Leute, die ich hab rumhuschen sehen, keine Besucher waren. Hier wohnen Okupas. Aber vermutlich nicht nur die harmlose Sorte, welche sich keine andere Bleibe leisten kann.

Da ich mit Sohn und Mutter unterwegs war, war hier also doch etwas Vorsicht geboten - kein optimales Ziel für einen Drei-Generationen-Ausflug. Wir wurden auch von Bewohnern beäugt. Einer fuhr mit einem Roller an uns vorbei und grüßte sogar freundlich. Aber ein anderer schlich an einem der alten Wachtürme rum und schien uns nicht aus den Augen zu lassen. Also sind wir letztlich nur in ein Gebäude rein und haben uns umgesehen. Es gab außer Zerstörung auch gar nicht mehr viel zu erkunden.






Wir gelangten dann noch in den Innenhof, wo ich keine anderen Menschen mehr wahrnahm. Aber weiter rein in andere Gebäudeteile hab ich mich dann nicht getraut - ich hatte da kein gutes Gefühl. Und wie ich im Nachhinein auch gelesen habe, ist der alte Zellentrakt wohl auch bewohnt. Das ist schon krass, dass hier die Straftat im alten Strafvollzug sozusagen gelebt wird. Und es zeigt auch sehr deutlich die schattige Seite der sonnigen Insel. Das Problem mit den Okupas scheint auf Mallorca von Jahr zu Jahr zu wachsen und die Verantwortlichen auf der Insel scheinen es zu dulden bzw. eben zu wenig gegen die Nöte der Menschen zu unternehmen.

Also eben nur einen Teil des Spots erkundet. Der Gebäudekomplex ist komplett eingefasst von der hohen Mauer und es gibt innen erstmal einen sehr breiten Weg zwischen Mauer und dem Gebäude. An vier Ecken sind in der Mauer eine Art Wachtürme - und dort scheinen auch die neuen Bewohner drin zu hausen - denn an zwei Türmen sah ich Menschen, wie sie rein und rausgingen.





Aber mal zur Geschichte dieses Spots: Das alte Gefängnis von Mallorca wurde im Jahr 1968 erbaut. Es war bis zum Sommer 1999 in Nutzung als Haftanstalt. Danach war in einem Teil davon noch bis 2015 die Leitstelle der Guardia Civil beheimatet. Seit 2015 steht das Gelände mit den Gebäuden nun komplett leer und ist zum Lost Place verkommen.

Das Hauptgebäude, welches eine einzigartige Architektur hat, besteht aus mehreren Teilen, die miteinander verbunden sind und besitzt mehrere Innenhöfe. Einen dieser Innenhöfe konnte ich mir anschauen. Hier stand noch ein alter Basketballkorb. Und man konnte von hier aus auf den Trakt mit den Zellen blicken.



Wie ich feststellte, war ich dann wohl durch die Werkstätten, evlt. die alte Schneiderei in diesen Innenhof gelangt. Häftlinge haben damals hier die Zuschnitte für eine Lederjackenproduktion aus Magaluf vorgenommen. Wenn man sich als Häftling bei dieser Arbeit geschickt anstellte, konnte man hier gut verdienen. Aber bezahlt wurde nicht in normalem Geld. Denn im alten Knast von Palma gab es eine eigene Währung. Das alles gibt es heute im neuen Gefängnis allerdings nicht mehr.


Im alten Knast waren um die 600 Häftlinge untergebracht und das Gefängnis war damit regelmäßig überfüllt. Man konnte wohl gar nicht alle Häftlinge immer unterbringen - viele wurden auch aufs Festland geschickt, um ihre Strafe zu verbüßen. Heute in dem neuen Gefängnis gibt es übrigens Platz für 1200 Häftlinge. Aber die Haftbedingungen sind andere. Denn damals war es wohl im alten Knast so, dass es nicht so viele vereinzelte Bereiche für die Gefangenen gab. Neulinge und Wiederholungsinsassen waren oft zusammen untergebracht. Auch gab es Bereiche, wo Häftlinge ihren eigenen Schlüssel zur Zelle hatten, denn es wurde nur der Gang von den Wärtern abgesperrt. Es gab die Zellentrakte und dann auch Gemeinschaftsbereiche. Aber alles in allem reichte der Platz vorne und hinten nicht und die Infrastruktur sowie die Bausubstanz waren auch nicht mehr so zeitgemäß.

Drogen waren im alten Knast auch stets ein Problem. Und auch Terroristen beherbergte die Haftanstalt bis Mitte der 90er Jahre. Es waren baskische ETA-Terroristen, welche sich stets von den anderen Häftlingen isolierten und sich ins Lernen vertieften. Sie studierten dort tatsächlich und auch Abschlussprüfungen wurden dann im Gefängnis durchgeführt.

Nachdem das Gefängnis dann geschlossen war und überwiegend leer stand, schickte der Direktor des neuen Gefängnisses, welches in unmittelbarer Nähe ist, immer mal Häftlinge rüber, um nach dem rechten zu sehen und zu vermeiden, dass sich hier Obdachlose einquartieren. Durchgehalten hat man diesen Plan bis heute jedenfalls nicht.

Kommt mit auf einen kleinen Rundgang per Video und schaut Euch den Zustand von Palmas altem Knast an:


Man hatte übrigens bereits viele Pläne, was man aus diesem alten Bau machen könnte. Es gab auch schon nach 2008 Theatervorstellungen und die mallorquinische Band Meeting Point hat hier einen Videoclip gedreht. Auch als Filmkulisse diente das alte Gefängnis schon. Aber das sind alles nur einzelne kleinere Events gewesen und nie etwas Beständiges.

Lange Zeit war geplant, hier ein Kulturzentrum zu errichten und das Künstlerkollektiv "Som sa presó" hatte der Stadt dazu auch ein Projekt vorgestellt. Das war um Zeit des Jahres 2018 herum. Man hatte Ideen, wonach die alten Zellen Probenräume für Musiker werden und die Gemeinschaftsräume als Eventlocation dienen könnten. Die alte Kantine wollte man für Workshops nutzen. Auch wenn man im Juni 2018 mit Renovierungsarbeiten begonnen hatte und für den Sommer schon erste Events plante, so ist das Projekt letztlich dann wohl doch gescheitert.

Dann im Jahr 2021 gab es wieder neue Pläne für das Gelände und das alte Bauwerk. Die erste grüne Superinsel sollte es für die Stadt Palma werden. Viel Grün in einem großen Park, über 100 Sozialwohnungen, eine Schule, Einrichtungen für Künstler oder auch zusätzlicher Wohnraum für Studenten und Forscher waren im Gespräch.

Im Juni 2021 wurde dieses Nutzungskonzept dann auch durch Änderung des Generalplans von Palma in diesem Bereich festgeschrieben. Die einzigartige Architektur des Gebäudekomplexes soll erhalten bleiben. Und mit dem vielen Grün ringsrum will man dem Klimawandel entgegenwirken.

Ende 2021 fiel dann die Entscheidung, die Option der Studentenunterbringung zu realisieren. Im Mallorca-Magazin war dazu zu lesen, dass der Rektor der Balearen-Universität bekannt gab, das alte Gefängnis zu einem Studentenwohnheim umzubauen. Das Thema mit dem Kulturzentrum hat auch noch Bestand und so soll ein Zentrum für Kulturschaffende wohl ebenfalls entstehen. Aber alles geht hier sehr langsam seinen Gang, da wird auch künftig noch viel Geduld gefragt sein.

Das Grundstück, auf welchem der alte Knast steht, ist Eigentum der Stadt Palma. Die Kosten für den Umbau werden wohl von der Balearen-Regierung getragen. Erhalten bleibt auf jeden Fall das alte Gebäude - eben wegen seines architektonischen Wertes. Abgerissen werden sollen hingegen die Wärterunterkünfte.

Und nun, im Jahr 2023 stellt man fest: Nichts ist passiert. Das Gelände ist vermüllt. Es wohnen hier Menschen, die vermutlich woanders keine Bleibe mehr finden. Die Zeitung Diario de Mallorca schrieb dazu im September 2022 die Schlagzeile "Das alte Gefängnis in Palma, eine Müllhalde, die Obdachlose beherbergt". Den Eindruck, den diese Schlagzeile erweckt, kann ich durchaus teilen.

Es gibt hier wohl zwei Gruppen von Neu-Bewohnern: Zum einen diejenigen, die noch ein halbwegs geregeltes Leben - aber eben ohne Wohnung - haben. Die versuchen, hier irgendwie klar zu kommen. Zu denen gehörte vermutlich auch der freundlich grüßende Mann, der auf einem Roller an uns vorbeifuhr.

Und dann leben hier wohl aber auch die anderen, deren Leben von Drogenkonsum und Kriminalität dominiert wird. Beide Gruppen kommen auf dem Gelände wohl irgendwie aus und meiden sich. Da man Menschen ja oft nicht ansieht, ob sie nett oder weniger nett sind, ist das halt vor Ort schwer einzuschätzen, ob man sich nähern kann oder lieber fern bleiben sollte. Auf jeden Fall sieht man sehr deutlich, dass hier bewohntes Gebiet ist. Denn auf dem Stacheldraht neben den Wachtürmen wird Wäsche aufgehangen. Und auch sieht man, dass die Fenster der Wachtürme verhangen worden sind und dass notdürftig unten Türen hingestellt wurden. Das sind ja schonmal deutliche Zeichen, dass hier Menschen versuchen, ihr kleines Reich abzugrenzen. Und das sollte mal halt irgendwie auch respektieren. Ein Mann brüllte uns auch irgendwas hinterher. Verstanden hab ich natürlich nichts. Aber das war dann der Punkt, an dem wir entschieden, wieder durch das offene Gefängnistor abzuhauen.


Die nähere Umgebung ist irgendwie auch ziemlich gruselig. Am sehenswertesten sind wirklich die Graffiti, welche irgendwie perfekt in diese Umgebung passen und einen gewaltigen Farbtupfer in die Tristesse bringen.

Auf shootingspain.info wird das alte Gefängnis von Palma derzeit noch als Location angeboten. Als Kontakt ist die Mallorca Film Commission angegeben, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die touristische Werbung für Mallorca zu optimieren. Nunja, ich bin da etwas ratlos, was man mit diesem Spot an touristischer Werbung für die Insel optimieren möchte. Hier wären Müllentsorgung und Versorgung der Menschen mit Wohnraum wohl erstmal von Priorität. Danach könnte man ggf. geführte Lost-Place-Touren anbieten ... oder vielleicht doch endlich mit dem Umbau anfangen?

Ich werde hier sicherlich irgendwann nochmal vorbeifahren und schauen, ob sich was getan hat.





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