27. September 2022

Da braut sich nix mehr zusammen - Lost Place Brauerei


Vor 200 Jahren wurde ein Stern am Bierhimmel geboren - genauer gesagt: Sternburg Bier - von seinen Fans auch liebevoll Sterni genannt. 169 Jahre lang wurde das Bier an dieser Stelle gebraut. Seit nunmehr 31 Jahren steht das riesige Gelände der Brauerei mit zahlreichen Gebäuden leer - die Häuser sind zu Ruinen geworden, der Verfall schreitet voran. Ein klassischer Lost Place!



Im Jahre 1822 kaufte der Wollhändler und Kaufmann Maximilian Speck ein Rittergut in Sachsen und wollte dort Schafzucht betreiben. Dummerweise stand auf dem Rittergut ein Brauhaus, in dem seit 1795 auch Bier ausgeschenkt und verkauft werden durfte. In Bayern wurde Speck von Ludwig I. in den Freiherrenstand gehoben und nannte sich fortan Maximilian Speck zu Sternburg. Und so kam es, dass die auf seinem Rittergut angesiedelte Brauerei den Namen Sternburg erhielt.

Aus eben dem Ort, wo Speck in den Freiherrenstand erhoben wurde, brachte er auch seinen Braumeister mit - aus Sankt Veit (heute: Neumarkt Sankt Veit). Die Brauerei hatte in ihrer gesamten Geschichte stets bayerische Braumeister. In einem Interview mit einem Ur-Ur-Enkel Specks las ich, dass dieser in Bayern lebt und noch heute von Besuchen in Sachsen eine Kiste Sternburg mit nach Bayern nimmt.

Zu Beginn wurden in der Sternburg-Brauerei untergärige Lagerbiere gebraut. 1834 bis 1836 wurde eine größere Brauerei außerhalb des Geländes gebaut und sie trug den Namen Freiherrliche Speck von Sternburg'sche Bairische Bierbrauerei. Ebenfalls 1836 begann Speck mit dem Anbau von Hopfen. Die Biergeschäfte liefen hervorragend, so dass das Gelände 1847 erweitert wurde und drei neue Lagerkeller entstanden. Die Brauerei hatte wohl eine eigene Musikkapelle und es gab auch einen Saal mit Bühne, wo Auftritte stattfanden. Man hatte damals wohl keine Platznot, die nicht umgehend behoben werden konnte.

Nach dem Tod Specks erbte der jüngste Sohn Alexander Maximilian das Brauhaus. Bis 1930 wurde die Brauerei weiter umfassend ausgebaut. Der Flaschenbierversand wurde 1892 eingeführt und 1911 wurde die Brauerei ans Gleisnetz der Bahn angeschlossen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1911 bewirtschaftet Alexander Maximilian Speck die Brauerei. Dann ging sie in den Besitz seines Sohnes James Alexander über, welcher 1913 das Brauhaus zur Brauerei Sternburg GmbH firmierte. Zu dieser Zeit war es das größte Brauhaus Mitteldeutschlands.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges gab die Familie Speck ihre Güter ab. Diese wurden ab 1946 von der sowjetischen Militäradministration verwaltet und als Brauerei fortbetrieben. 1947 wurde der Betrieb verstaatlicht und den VVB Brauereien Dresden zugeordnet. 1968 gehörte die Brauerei dann zum VEB Getränkekombinat Leipzig. Zum Ende der DDR im Jahr 1989 hatte die Brauerei etwa 500 Mitarbeiter und produzierte 500.000 Hektoliter Bier.

Nach der Wende kooperierte man ab 1990 mit Stuttgarter Hofbräu und gründete das Unternehmen Sternburg Brauerei GmbH. Die Brau und Brunnen Gruppe stellte auf Grund fehlenden Absatzes am 15. Mai 1991 die Produktion ein schloss die Brauerei am 31. August 1991 endgültig. Seit 1992 wird Sternburg Bier in der Reudnitzer Brauerei hergestellt und feiert somit in diesem Jahr (2022) sein 200jähriges Jubiläum. Soviel erstmal zur doch sehr bewegten Firmengeschichte.

Das Gelände der ehemaligen Brauerei ist ringsum mit Zäunen und Toren gesichert und verschlossen. Allerdings gibt es eine Möglichkeit, relativ problemlos raufzukommen - ohne ein Tor zu öffnen und ohne ein Schild, dass das Betreten verboten sei. Über diesen Zugang haben wohl auch schon Rundgänge mit Architektur-Studenten der TU Freiberg stattgefunden, deren Uni-Dozent ein großer Fan der einmaligen Architektur der Sternburg-Brauerei ist.


Das Sudhaus ist dem Dozenten zufolge im Art-déco-Stil erbaut und der Bau muss wohl gleichzeitig mit dem Leipziger Zoo erfolgt sein. In einem Raum, wo früher die Kessel standen, findet sich tatsächlich an der Decke noch eine Art-déco-Lampe, wo lediglich 3 Gläser fehlen. 

Wir haben uns nur einen Teil des Sudhauses und vermutlich Gebäude zur Lagerung und der Auslieferung der Biere angeschaut.




Das Sudhaus war dabei am spannendsten. Hier konnte man noch sehr gut die Bottiche des offenen Gärverfahrens sehen. Wir kennen das schon aus Besichtigungen noch intakter Brauereien. Die Bottiche waren doch schon sehr tief und reichlich vorhanden. Auch das Kesselhaus haben wir gefunden - die Kessel waren allerdings ausgebaut. Alles in allem kann man in dem einen Teil des Sudhauses bis unters Dach auf noch recht intakten Metalltreppen hinaufsteigen. Ganz oben in einem riesigen Raum mit hohem Gewölbe und einem betonierten Rund haben wir dann auch eine Flasche Sternburg gefunden - ausgetrunken im Jahr 2022.

Die Gebäude sind leer geräumt und es gibt etwas Vandalismus. Die Struktur der Brauerei ist dennoch immer gut erkennbar. Auch gibt es auf dem Gelände und in den Gebäuden reichlich Graffiti. Manche davon sind wirklich recht gelungen und sehenswert.

Kommt doch mit auf einen Video-Rundgang und schaut Euch gern ein paar bewegte Bilder an... ich hatte natürlich die GoPro wieder mit dabei:

Weitere Teile des des Geländes haben wir gemieden, da wir bereits beim Erkunden eines Einganges im anderen Geländeteil Menschen hörten, welche laut Naziparolen grölten. Weniger schön, wenn solche Leute einem den Besuch eines Spots vermiesen. Das Gegröle hörte man bis ins Wohngebiet. Angst, dass Polizei anrückt, muss man ja wegen "sowas" in Sachsen nicht haben. Traurig.

Die Bauwerke, welche nun seit 31 Jahren verfallen, haben wohl immer noch eine ganz gute Grundsubstanz. Auch wenn es auf dem Gelände an einigen Stellen schon gebrannt hat, die Dächer teilweise eingefallen sind und die Fenster entglast wurden, so stehen die massiv gebauten Häuser auf Granitsockeln, was ein Verwittern von unten her wohl gut verhindert. Deshalb wäre die Bausubstanz auch eine gute Grundlage, hier zu Sanieren und das Gelände mit den tollen Bauwerken endlich wieder einer Nutzung zuzuführen. Am 25.01.2022 wurde ein Bebauungsplan vorgestellt.

Das einzige sanierte Objekt liegt direkt an der Straße und ist die Villa, in der die Brauerei-Direktoren gewohnt hatten. Es ist vom übrigen Brauereigelände abgetrennt und bewohnt.





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