27. Mai 2022

Pionierrepublik Wilhelm Pieck - Lost Place mit Zukunft


In der Schorfheide, einem Biosphärenreservat in Brandenburg, liegt die ehemalige Pionierrepublik Wilhelm Pieck - das größte Pionierlager der DDR. Das Areal, welches zur Gemeinde Joachimsthal gehört, ist etwa einen Quadratkilometer groß. Die Pionierrepublik war das Zentrale Pionierlager der Pionierorganisation Ernst Thälmann.

1949 beschloss der Ministerrat der DDR den Bau der Pionierrepublik und stellte auch die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung. Architekt der Gebäude war kein Geringerer als Richard Paulick - der Vater der Plattenbauten. Kurioserweise findet man in Sachen Plattenbau in der Pionierrepublik nicht viel vor. Die meisten Gebäude sind zwar in typischem DDR-Style gebaut, aber haben dennoch Stil.

Im Aufbau orientierte man sich bei der Pionierrepublik am Allunionslager Artek auf der ehemals sowjetischen Krim. Am 16. Juli 1952 wurde das Pionierlager vom damaligen Präsidenten Wilhelm Pieck eröffnet. Ab 1961 wurden in der Pionierrepublik auch internationale Sommerlager veranstaltet. Es waren sowohl Kinder aus anderen sozialistischen wie auch aus den westlichen Ländern zu Gast am Werbellinsee.

Oberste Aufgabe der Pionierrepublik war jedoch neben der Freizeitgestaltung und Erholung die sozialistische Erziehung und Kaderbildung in der DDR. Und nur eifrige Pioniere und Klassenbeste bekamen die Chance zu einem sechswöchigen Aufenthalt in der Pionierrepublik. Es war also keineswegs ein Ferienlager, sondern eher eine Auszeichnungsreise für schlaue und linientreue Pioniere, welche dort Unterricht hatten und sozusagen den Feinschliff im Sozialistischen erhielten.

Insgesamt waren in den 37 Jahren des Bestehens wohl um die 400.000 Besucher in der Pionierrepublik Wilhelm Pieck zu Gast. Der Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen wurde Stand 1988 mit 40 Ost-Mark pro Teilnehmer subventioniert. Geld kam unter anderem vom PCK Schwedt und weiteren Betrieben, aber auch vom Jagdfliegergeschwader Hermann Matern. Man kann noch erahnen, wie großzügig sich der Sozialismus hier seinem Nachwuchs gegenüber zeigte. Übrigens gab es wohl in der Pionierrepublik auch nicht die sonst üblichen Versorgungsengpässe bei bestimmten Lebensmitteln. Es waren wohl stets Orangen und Bananen auf dem Speiseplan. Dafür musste man im Rest der Republik schon ordentlich anstehen und dann auch noch Glück haben, dass man nochwas bekam.

Mit der politischen Wende endete dann auch die Daseinsberechtigung der Pionierrepublik. Sie wurde umbenannt in Kinderland am Werbellinsee und war für eine Saison für alle offen. Seit 1992 organisierte dann die Europäische Jugend- und Begegnungsstätte (EJB) Freizeiten für Kinder und Jugendliche. Es wurden viele Gebäude saniert und viel in neue Freizeiteinrichtungen investiert. Seit 2021 heißt das Gelände nun Seezeit-Resort. Angeboten wird in der ehemaligen Pionierrepublik alles Mögliche. Tagesgäste zum Baden, Seminaraufenthalte, Klassenfahrten, Hotelunterbringung. Der überwiegende Teil der Gebäude steht unter Denkmalschutz und wurde saniert.

Wenn man allerdings aufmerksam durch das Areal streift und auch mal abseits der Hauptwege läuft, findet man noch so manches Objekt, welches wohl in Vergessenheit geraten scheint. Hier gibt es einige Lost Places mitten im Areal des Umschwungs und Neubeginns.




Am auffälligsten ist wohl der große Plattenbau, welcher völlig entglast und verschlossen auf einem großen Platz steht. Eine ehemalige Schule, wo die Kinder der DDR sozialistischen Unterricht erhielten. Das Gebäude war verschlossen - zum Teil sogar die Eingänge zugemauert. Direkt daneben die DDR-typische Turnhalle scheint saniert und in Betrieb zu sein.


Etwas tiefer im Wald kommt dann noch ein großes Gebäude zum Vorschein. Eine Facebook-Nutzerin gab mir den Hinweis, dass es sich hierbei um den Kindergarten und -krippe der Pionierrepublik handelte. Das Haus ist auf jeden Fall ein älteres Baujahr. Da die Tür offen stand, hab ich mich natürlich mal umgesehen. Die alten Kassettentüren lagen teilweise auf dem Boden. Die Holzfenster waren vernagelt. Das Gebäude hat im Erdgeschoss eine große Küche. Es waren kaum Graffiti vorhanden und die Metalldiebe waren auch noch nicht zu Besuch. Das kann aber auch daran liegen, dass man eigentlich nur mit Eintrittsgeld und Parkgebühr auf das Gelände gelangt und da auch ständig irgendwas los ist. Es führt auch kein Weg zu dem Gebäude - eher ein Trampelpfad, wenn man weiß wo das Haus steht.




Neben den Lost Places gibt es aber auch viel Neues und Saniertes auf dem Gelände zu sehen. Ein Besuch des Areals ist schon lohnenswert, wenn man etwas DDR-Charme erleben möchte. Denn die meisten Gebäude stehen unter Denkmalschutz und wurden dementsprechend saniert.

Das Wilhelm Pieck Denkmal ist allerdings nicht mehr auf dem großen Appell-Platz zu finden. Hier sind nur noch die Steine zu sehen, wo die große Statue einst davor stand.

Und noch etwas Interessantes gibt es in der Pionierrepublik zu sehen: Den Werbelliner Baumarsch. Keine Ahnung, was das für ein Auswuchs ist, aber lustig anzusehen allemal.


Anfahrt: GoogleMaps

Eintritt: Familienkarte mit Parken 20 Euro




4 Kommentare:

  1. Ich war im Winter 1983 hier, als ich wieder nach Hause kam, bemerkte meine Mutter schon eine stärkere sozialistische Beeinflussung, die mir selbst zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst war... Zum Thema Bananen und "Apfelsinen" : ...zum Mittag gab es öfter die grünen "Cuba"-Apfelsinen dazu aber keine Orangen, an Bananen kann ich mich nicht erinnern, kann sein dass es mal eine gab...

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  2. Ich war im Sommer 1985 hier. An Bananen kann ich mich nicht erinnern. Wir mussten Birkenblätter ernten, ein Löwenjunges aus dem Zoo wurde getauft und es gab ein martialisches Neptunfest.

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  3. Ich war im Winter 1987 da. An Südfrüchte kann ich mich auch nicht erinnern. Wir haben aber welche auf den Ausflügen nach Berlin gekauft.

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  4. Ich war 1975 dort, an Bananen und Orangen kann ich mich in der täglichen Essenversorgung nicht erinnern. Aber als wir zur Pionierleiterkonferenz in Berlin aufgetreten sind, gab es Verpflegungsbeutel mit Schokomilch, belegte Brote, Bananen und Süßigkeiten. War schon sehr interessant, was dort für die Ideolegie betrieben wurde.

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